Neues aus dem Fach (Zeitraum Frühjahr 2023 – Frühjahr 2024)

Promotionen

Universität Greifswald

Lena Varuna Wuntke
„Schulische Förderung der emotionalen und sozialen Entwicklung von Kindern durch Erweiterung spezifischer Lehrkraftkompetenzen – Entwicklung und Evaluation eines Professionalisierungskonzepts für Grundschullehrkräfte“
Erstgutachterin: Prof. Dr. Kathrin Mahlau, Universität Greifswald
Zweitgutachter: Prof. Dr. Gino Casale, Universität Wuppertal

Universität zu Köln

Henriette Offer-Boljahn
„Domänenübergreifende Förderung in der Kindertageseinrichtung – Anschlussfähige Bildung im Übergang von der Kita in die Grundschule gestalten“
(kumulative Promotion)
Universitätsbibliothek Köln (kups.ub.uni-koeln.de/70957/)
Erstgutachter: Prof. Dr. Thomas Hennemann, Universität zu Köln
Zweitgutachter: Prof. Dr. Dennis Christian Hövel, University of Teacher Education in Special Needs (HfH)

Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover

Annette Krauss, Interkantonale Hochschule für Heilpädagogik Zürich (HfH)
„Wohlbefinden und Anforderungsbewältigung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit ADHS-Symptomen und die Rolle ausgewählter Schutzfaktoren“
(kumulative Promotion)
Universitätsbibliothek Hannover (www.repo.uni-hannover.de/handle/123456789/14862)
Erstgutachterin: Prof. Dr. Katja Mackowiak, Universität Hannover
Zweitgutachter: Prof. Dr. Rolf Werning, Universität Hannover

Ruferteilung

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Neuberufungen/Wahl

Pädagogische Hochschule Heidelberg
Dr. Nicola-Hans Schwarzer: ehemals Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
Denomination: Grundlagen der Sonderpädagogik mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Entwicklung

Ehrungen und Auszeichnungen

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Ernennungen

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Nachrufe

Nachruf auf Prof. Dr. Otto Speck

Als das sogenannte Dritte Reich endete, war der in Rennersdorf (Oberschlesien) geborene Otto Speck gerade 19 Jahre alt, hatte den Reichsarbeitsdienst, Kriegsdienst und die Kriegsgefangenschaft überstanden. Ein Jahr später absolvierte er einen Abiturlehrgang und studierte in den folgenden Jahren Lehramt. Danach wirkte er als Volks- und Sonderschullehrer in München. Von 1964 an leitete er die Ausbildung der Sonderschullehrer:innen am Bayerischen Staatsinstitut für die Ausbildung der Lehrer an Sonderschulen (Lehramt an Schulen für Lernbehinderte, Geistigbehinderte, Körperbehinderte und Erziehungsschwierige). 1955 promovierte er an der Ludwig-Maximilians-Universität München zum Thema „Kinder erwerbstätiger Mütter: Eine empirisch-pädagogische Tatbestandsaufnahme und ihre Deutung“ zum Doktor der Philosophie. Mit dieser Schrift prägte Otto Speck nicht nur den markanten Begriff „Schlüsselkinder“, sondern thematisierte damit sehr früh die schwierigen Verhältnisse und erzieherischen Schieflagen in den Elternhäusern und ihre Folgen für das Aufwachsen und die emotional-soziale Entwicklung in der Kindheit.

Von da an ging es rasant weiter: Otto Speck wurde 1971 ordentlicher Professor an der Pädagogischen Hochschule München. Ein Jahr später wurde die Pädagogische Hochschule in die Ludwig-Maximilians-Universität eingegliedert und Otto Speck damit beauftragt die Sonderpädagogik als wissenschaftliche Disziplin in der akademische Lehrer:innenbildung zu entfalten. Bemerkenswert wie Otto Speck zunächst alle relevanten sonderpädagogischen Fachrichtungen als Universitätsprofessor selbst vertreten und institutionalisiert hat, bevor nach und nach die Lehrstühle für Sonderpädagogik in ihrer heutigen Existenz mit fünf sonderpädagogischen Fachrichtungen prominent besetzt wurden. Doch nicht nur an der LMU sorgte Speck für den Aus- und Umbau der Sonderpädagogik. So war er 1974/75 der Gründungsprofessor für Sonderpädagogik an der Universität Würzburg und unterstütze mit seiner fachlichen Expertise den Aufbau der Sonderpädagogik nach der Wende, so z.B. an der Universität Halle, von der ihm für seine Verdienste 1994 die Ehrenmedaille verliehen wurde.

Darüber hinaus war Otto Speck in der universitären Selbstverwaltung an der LMU sehr engagiert. Er war viele Jahre gewähltes und hoch geschätztes Mitglied im Senat der LMU und von 1982 bis 1986 ihr Vizepräsident. Nach 20 Jahren emeritierte er 1991, vertrat den eigenen Lehrstuhl mit zwei sonderpädagogischen Fachrichtungen aber noch ein Jahr, bis 1992 mit Prof. Konrad Bundschuh ein Nachfolger sein Amt antrat.

Sein Oeuvre wiegt schwer. Er hat zahlreiche sonderpädagogische und erziehungswissenschaftlich relevante Schriften verfasst, die Generationen von Studierenden geprägt haben und bis heute in den Literaturlisten zu Seminaren an den sonderpädagogischen Studienorten im deutschsprachigen Raum zu finden sind. Sein einführendes Werk zur Geistigbehindertenpädagogik ist zuletzt 2018 in der 13. Auflage (!) beim Reinhardt Verlag in München erschienen, das „System Heilpädagogik“ ist 2008 zum 6. Mal aufgelegt worden. Mit seinem Buch „Dilemma Inklusion: wie Schule allen Kindern gerecht werden kann“ beteiligte er sich 2019 nochmal kritisch an einer aktuell virulenten Debatte. Im Vorwort zum 2022 erschienen Buch zu Lebensqualität und geistige Behinderung von Peter Zentel zeigte er, welch tiefes Wissen und welche Einsicht er in die Entwicklung der Sonderpädagogik als einer wissenschaftlichen Disziplin hatte und mit welchem Tiefsinn er die Umsetzung und die Unteilbarkeit der Inklusion einzufordern, wenngleich auch vor Fehlentscheidungen zu warnen wusste.

Bei alldem ist es Otto Speck gelungen auf der Grundlage seiner schulpraktischen Tätigkeit mit verhaltensgestörten, lernbehinderten und geistig behinderten Kindern seinen Lehrstuhl mit der Doppeldenomination „Pädagogik bei geistiger Behinderung“ und „Pädagogik bei Verhaltensstörungen“ prominent nach innen und nach außen zu vertreten. Er verstand es sich mit klugen Worten und immer wertschätzend in politische Diskussionen einzumischen, um zum Wohle von Menschen mit Behinderungen und sozialen Benachteiligungen etwas anzustoßen und vor allem zu erreichen. In seinen Werken aber auch überall dort, wo er auftrat, war seine vernunftgeleitete Ethik des Anderen, die bedingungslose Verantwortlichkeit und Sorge für den Nächsten nachhaltig zu spüren.

Speck agierte nie abgehoben, sondern in engem Kontakt und Austausch mit Kolleg:innen im In- und Ausland, mit Lehrer:innen und mit Eltern. In der Zusammenarbeit mit letzteren leitete er einen Paradigmenwechsel ein: Er sah in ihnen keine unwissenden Laien oder nur einfachen Ko-Therapeut:innen sondern Partner:innen, mit denen er auf Augenhöhe kooperierte. Otto Speck zeichnete es aus, dass er in der Lage war, dort, wo er auf Lücken stieß, dieselben mutig und entschlossen zu schließen. So initiierte er schon als junger Lehrer in einer Heimschule arbeitend die Zeitschrift „Unser Heim“. Später, zusammen und über disziplinäre Grenzen hinweg entwickelte er mit Prof. Theodor Hellbrügge die interdisziplinäre Frühförderung, die er in einem Gutachten für den Deutschen Bildungsrat 1973 bestens zu begründen wusste. Damit legte er den Grundstein für ein noch immer aktuelles und ausgesprochen für Familien mit behinderten und gesellschaftlich benachteiligten Kindern gewinnbringendes Konzept in Deutschland. Und zusammen mit Prof. Hellbrügge gründete er 1982 die Zeitschrift „Frühförderung interdisziplinär“, die bis heute im Reinhardt-Verlag erscheint. Nicht ohne Grund ernannte die „Vereinigung für Interdisziplinäre Frühförderung e.V.“  Otto Speck zu ihrem ersten Ehrenmitglied.

Nicht zuletzt unterstreichen die Verleihung des Großen Verdienstkreuzes der Bundesrepublik Deutschland (1991) die Verleihung des Bayerischen Verdienstordens (1994), die Verleihung des Bayerischen Maximiliansordens für Wissenschaft und Kunst (1995), die Verleihung der Goldenen Ehrennadel der Bundesvereinigung Lebenshilfe für geistig Behinderte (1996), die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft des Verbandes Deutscher Sonderschulen, Landesverband Bayern e.V. (1997), aber auch die Existenz des staatlichen Förderzentrum für emotionale und soziale Entwicklung der Landeshauptstadt München, die „Otto-Speck-Schule“, jenseits aller Egoismen und Eitelkeiten das unermüdliche Wirken von Otto Speck als Mensch und Hochschullehrer, der wie kein anderer über einen so langen Zeitraum hinweg die Sonderpädagogik in Theorie und Praxis nachhaltig geprägt hat.

Wir könnten nun noch wortreich sein rhetorisches Geschick, seinen Humor und seine Überzeugungskraft als Redner beschreiben. Stattdessen möchten wir ihn selbst für alle, vor allem für die jüngere Generation, die ihn zu seinen Lebzeiten nicht erlebt haben, nochmals zu Wort kommen lassen. Wenn Sie dem QR-Code oder dem Link folgen, gelangen Sie zu einem videoaufgezeichneten Vortrag vom 11.02.2010 zum Thema „Inklusion, eine Metapher für mehr Gemeinsamkeit unterschiedlich lernender Kinder – Ein wissenschaftlicher Reflexionsversuch“. Es lohnt sich, Otto Speck zuzuhören, sich von ihm mitnehmen, überzeugen – und auch unterhalten zu lassen.

videoonline.edu.lmu.de/de/node/850

Wir, die das Erbe von Otto Speck bis heute an zwei eigenständigen Lehrstühlen für Sonderpädagogik an der LMU weitertragen, verneigen uns vor einer beeindruckenden Persönlichkeit, einem großartigen Lehrer, Wissenschaftler und dem immer in unserem Herzen innewohnenden Kollegen Prof. Dr. Otto Speck!

Reinhard Markowetz und Peter Zentel, LMU München